Das Geschäft mit unserem Klima
- Details
- Erstellt am Freitag, 20. November 2009 14:47
- von Vera K.
Im Dezember dieses Jahres findet der UNO-Weltklimagipfel in Kopenhagen statt. Trotz jahrelanger Verhandlungen werden die Beschlüsse wahrscheinlich nicht bindend sein. Wir nehmen das als Anlass, die gegenwärtige Klimapolitik genauer unter die Lupe zu nehmen.
Bezeichnenderweise wurden bereits in den Vorverhandlungen des asiatisch-pazifischen Wirtschaftsforums die Passagen, die eine Halbierung des CO2-Ausstoßes bis 2050 vorsahen, gestrichen. In den Verhandlungen diesen Dezember soll es um ein Nachfolgeprojekt für das 2012 auslaufende "Kyoto Protokoll" gehen. Die USA hatten diesen Vertrag bekanntlich nicht unterschrieben. Allein letztes Jahr gaben US-Unternehmen 90 Millionen US-Dollar für Lobbying in der Klimapolitik aus. Ihre "Argumente": Der Umweltschutz steigert die Energiekosten und Millionen Jobs gehen verloren, da die Industrien nach Indien oder China abwandern würden. Die Lobbyisten sagen also: "Entweder ihr lasst uns den Planeten verpesten und habt Jobs, oder ihr habt keine Jobs und wir verpesten die Umwelt anderswo."
Handel mit der Zukunft
Das Kyoto Protokoll sah Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung durch die "Heilkräfte" des freien Marktes vor. Darauf basierend haben sowohl die EU als auch die Vereinten Nationen ihre Programme für den Handel mit dem CO2-Ausstoß gegründet ("Emissions Trade Scheme" beziehungsweise "Clean Development Mechanism"). Beide Institutionen können "carbon credits" (Emissionsrechte, offiziell: CO2-Gutschrift) vergeben. Die Konzerne der Industrieländer können in der "3. Welt" Investitionen mit dem Ziel der CO2-Reduktion machen. Sie bekommen dafür "carbon credits" und können selbst mehr verschmutzen. Oder sie kaufen Firmen der "3. Welt" deren Kredite ab bzw. auf dem entsprechenden Markt zusätzliche "Verschmutzungslizenzen".
Dieser "grüne" Markt ist ein durchaus rentabler, können doch auch andere InvestorInnen (inklusive Banken und Hedge Fonds) diese Kredite kaufen und verkaufen. Eine wichtige Rolle in dem Geschäft nimmt die "Europaen Climate Exchange" in London ein, die 98% des weltweiten Emissionshandels abwickelt. Der Umfang dieses Marktes lag 2008 bei 80 Milliarden Pfund und wird dieses Jahr (trotz Rezession) wahrscheinlich 97 Milliarden Pfund durchbrechen. Die durch die Wirtschaftskrise verringerten CO2-Emissionen haben nun eine Situation erzeugt, in der es billiger ist, fossile Brennstoffe frei nach Lust und Laune zu verwenden und "Credits" zu kaufen, als zu versuchen, den CO2- Ausstoß zu verringern. So wenig weit reichend das Programm an sich ist, gibt es dennoch Schlupflöcher: Beschränkung auf Treibhausgase, das mit dem Handel der Kredite erworbene Geld kann für verschmutzende Industrien verwendet werden, und die PrüferInnen werden von den Firmen bezahlt.
Um die Probleme zu illustrieren, nur ein Beispiel (Quelle: carbontradewatch, 1.6.09): Die indische Chemiefabrik GFL erhielt für ihre Installation Treibhausgas reduzierender Technologie Geld von der UNO. Genauso wie eine britische Firma, die ebenfalls dort investiert hatte. GFL bezahlte die KontrolleurInnen, die nur auf Treibhausgase prüften und anderen Arten der Verschmutzung keine Beachtung schenkten. Mehrere Tests ergaben eine extreme Verschmutzung des Grundwassers durch Chloride und Fluoride. Diese führte zu gesundheitliche Schäden bei den Menschen der umliegenden Dörfer. Bei einigen Kindern konnten sogar Missbildungen des Skeletts festgestellt werden. GFL verwendete weiters einen Teil des erhaltenen "grünen" Geldes für den Bau einer Fabrik, die Teflon und Ätznatron herstellt- beides umweltverschmutzend.
"Grüne" Innovationen?
Von Klein auf wurde uns eingebläut, dass Kapitalismus gut für die Forschung wäre, da die Konkurrenz Innovationen antreiben würde. Die Wahrheit sieht leider anders aus. Bekanntermaßen vertrauen selbst die Bürgerlichen in Krisenzeiten nicht auf die Selbstheilungskräfte des Marktes, sondern rufen nach der Hilfe des Staates. Frei nach dem Motto, die Profite sind privat, aber die Schulden kollektiv. Ähnliches ist auch in der Forschung zu sehen. Als die USA fürchteten, dass die Nazis eine Atombombe entwickeln könnten, organisierte der Staat ein riesiges Forschungsprojekt, das "Manhattan Project", auf dessen Höhepunkt 130.000 Menschen zusammenarbeiteten. Unabhängig davon, dass hier das Ziel ein destruktives war, zeigt dies doch recht gut, wie Forschung schnell und effizient erfolgen kann, nämlich in einem kollektiven Projekt. Im Kapitalismus passiert aber normalerweise genau das Gegenteil: Die Konkurrenz führt dazu, dass die ForscherInnen von verschiednen Firmen bezahlt werden und daher gegeneinander arbeiten! Ergänzt wird dieser zurückhaltende Effekt auf die Forschung noch durch Patente.
Im Bereich der Klimapolitik sieht es konkret so aus, dass Ölkonzerne Patente auf Batterien, die für Elektroautos verwendet werden könnten, gekauft haben. Eine andere Alternative für den Umweltschutz könnten "Wasserstoffautos" sein. Diese einzuführen, könnte aber nur mit einem großen öffentlich geplanten Umrüstungsprogramm für Tankstellen erfolgen. Grüne Produktion im Kapitalismus ist eine Illusion. Anstatt in die Erforschung umweltfreundlicher Treibstoffe zu investieren, wurde das Thema "Biosprit" gehypet. Ölkonzerne wie BP und Exxon sicherten sich ihre Profitmöglichkeiten in diesem Bereich. Nebenbei erwähnt, war der Hauptgrund für das massive Interesse an "Biodiesel" der Versuch der US-Regierung mehr Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus politisch unliebsamen Ländern zu bekommen.
Die Effekte des "Biodiesels" waren alles andere als gut: Einerseits trieb die massive Umwidmung von Feldern auf Treibstoffproduktion die Lebensmittelpreise rasant in die Höhe und damit die Zahl der Hungernden. Andererseits ist auch die Umweltverträglichkeit des "Biosprits" umstritten. Möglicherweise ist mit dessen Erzeugung sogar ein größerer Ausstoß von Treibhausgasen verbunden (Einsatz von Maschinen und Düngemitteln, Abwässer, Abholzung von Regenwäldern etc.). Um die Größenverhältnisse zu verstehen, reicht es zu wissen, dass für einen Autotank Biosprit gleichviel Getreide verbraucht wird, wie um einen Menschen ein Jahr lang zu ernähren.
Finger können brechen …
Die vorgeschlagenen "Lösungen" für die Klimaproblematik lassen sich auf verschiedene Interessenslagen zurückführen. Hier sind zuerst die bürgerlichen Ansätze zu nennen, die vom CO2- Handel bis zur Weigerung Maßnahmen zu setzen reichen. Diese werden teilweise garniert von einigen "WissenschafterInnen", die die Klimaerwärmung überhaupt leugnen und dafür bezahlt sind, Verwirrung zu stiften und auf dieser Basis die Nicht-Reaktion der verantwortlichen Regierungen gerechtfertigter erscheinen zu lassen. Diese "Lösungen" sind für die Mehrheit der Bevölkerung jedoch nicht akzeptabel. Daher gibt es noch eine andere Art von ideologischen Waffen, die aufgefahren werden.
Dies sind die Vorschläge verschiedenster kleinbürgerlicher Strömungen, darunter die "grünen" Parteien. Sie laufen darauf hinaus, die Verantwortung auf die einzelnen Menschen zu schieben. Es soll also ein kollektives Problem individuell gelöst werden. Diese scheinbaren Lösungen spielen mit den Sorgen der Bevölkerung bezüglich des Klimawandels. Oft hört mensch, wir müssten alle unseren CO2-"Fußabdruck" reduzieren. Es wird die "Natur des Menschen" für ein gesellschaftliches Problem verantwortlich gemacht. Dazu ist zunächst zu sagen, dass es nicht der Fall ist, dass jede Person gleichviel zur Klimaerwärmung beiträgt. Nur 17% des Treibhausgasausstoßes der EU wird von Haushalten und kleinen Betrieben verursacht. Die Lohnabhängigen verursachen also nur einen kleinen Teil. 21% werden durch den gesamten Verkehr verschuldet. Der Hauptteil davon sind Flugreisen und LKW- Transporte.
Ein Beispiel kapitalistischer Perversität bieten hier die ÖBB, die Gütertransporte aus Kostengründen vermehrt auf LKWs auslagern wollen. Für die Umwelt wäre es natürlich besser, wenn Waren mit der Bahn transportiert würden. Darauf hat aber der/die DurchschnittskonsumentIn keinen Einfluss. Und es ist auch heuchlerisch zu verlangen, dass jede/r nur lokal erzeugte Produkte kauft, wenn andere manchmal billiger sind und das zur Verfügung stehende Geld beschränkt. Die Privatautos von Lohnabhängigen kommen gerade mal auf um die 10% des CO2- Ausstoßes der EU. Darunter fallen nun unter anderem PendlerInnen. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit zu erwarten, dass diese ihre Jobs kündigen und auf eine Stelle warten, die sie zu Fuß erreichen können, mutet eher seltsam an.
Eine weitere nette Idee dieser "grünen" Richtung sind indirekte Umweltsteuern. Anstatt der Industrie, die den größten Teil der Treibhausgase erzeugt, verbindliche Höchstgrenzen auf und Finanzmittel für die Behebung von Umweltschäden abzuzwingen, wird versucht, die breite Masse für die Kosten aufkommen zu lassen!
In dieselbe Kategorie passen auch all jene, die behaupten, dass Wirtschaftswachstum und Fortschritt an sich das Problem wären und wir daher alle unsere Bedürfnisse zurückschrauben müssten.
… Fäuste aber nicht!
Das Hauptproblem bei allen Umweltschäden aber ist nicht der Fortschritt an sich, sondern der Kapitalismus. Die Probleme lassen sich in letzter Instanz auf das Privateigentum an den Produktionsmitteln zurückführen. Denn wer EigentümerIn einer Firma ist, will möglichst viel Profit machen und gegen die Konkurrenz bestehen. Die Befriedigung von Bedürfnissen und die langfristigen Interessen der Menschen (z.B. saubere Umwelt) zählen dabei nicht.
Der Funke tritt für kollektive Lösungen durch die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung ein. Wir haben kein Vertrauen in kapitalistische Abkommen wie Kyoto und etwaige Nachfolgeprojekte. Die Ressourcen für die Wiedergutmachung von Umweltschäden können durch eine stark progressive Steuer eingenommen werden. Es muss staatlich finanzierte Forschungsprojekte und einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs geben. Der Handel mit "Verschmutzungslizenzen" muss beendet werden. Stattdessen braucht es bindende Vorschriften. Weigert sich ein Unternehmen diese einzuhalten, muss es enteignet werden. Die Enteignung der strategischen Teile der Wirtschaft wird zugleich die größten VerschmutzerInnen einer demokratischen Planung unterwerfen. Das Problem kurzsichtiger Umweltverschmutzung lässt sich nämlich auf eine andere Frage zurückführen: Wer kontrolliert die Wirtschaft und die Verwendung von Ressourcen?