Die Sozialdemokratie und der Schwarze Freitag
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- Erstellt am Donnerstag, 23. April 2009 14:47
- von Andreas Wolf, SPÖ-Mitglied
Schon in den 1930ern hat es in der SPÖ Diskussionen zum Umgang mit einer massiven Wirtschaftskrise gegeben. Lernen können wir daraus heute noch immer.
Die Führung der heutigen Sozialdemokratie steht in der Krise an vorderster Front, wenn es um das Einschießen öffentlicher Gelder in den privatkapitalistischen Bankensektor geht, sie attackierte als Regierungsfraktion eine wesentliche Gruppe von Lohnabhängigen (die LehrerInnen), die Staatssekretärin Heinisch-Hosek will die Streikbedingungen für BeamtInnen verschlechtern. Die Führung der SPÖ erledigt die Geschäfte der Bürgerlichen mit Bravour. 99% der Parteimitglieder akzeptieren den Kurs ihrer Führung mit Bauchweh und wünschen sich insgeheim eine andere "Krisenbewältigungspolitik". Doch wie könnte diese aussehen? Ein Ansatzpunkt für diese Überlegungen kann die Politik der Sozialdemokratischen ArbeiterInnenpartei Österreich (SDAPÖ) unter Otto Bauer in der Phase der Weltwirtschaftskrises beginnend mit dem Jahre 1929 sein. Schließlich handelt es sich dabei nach übereinstimmender Einschätzung der WirtschaftswissenschafterInnen um die einzige ökonomische Krise, die mit der jetzt gerade herein brechenden vergleichbar wäre.
Allerdings: Die Politik der damaligen SDAPÖ-Führung ist mit dem intellektuellen Niveau des heutigen Parteipräsidiums und der Gewerkschaftsführung nicht einmal im Ansatz vergleichbar. Während sich einige SPÖ-"Linksblinker" (wie Landeshauptmann Voves, der aber vor kurzem seine "Linkslastigkeit" durch Erörterungen über mögliche Koalitionen mit der FPÖ ins Schaufenster gestellt hat) in Zeiten der tiefen wirtschaftlichen Krise gerade über die weltbewegenden (Nicht-)Auswirkungen einer Vermögenssteuer auf die Millionenheere von HäuslbauerInnen gedanklich verbreitern (während ebendiese HäuslbauerInnen gerade ihr Lohneinkommen verlieren, wozu die SPÖ nichts zu sagen hat), hatte Otto Bauer einen anderen Zugang zur "Krisenpolitik". So sagte er z.B. am 16. 10.1929 in einer Parlamentsdebatte über die Rettung der "Boden-Kreditanstalt" durch öffentliche Gelder (heute wird dies "Banken-Paket" genannt) folgendes: "Aber das ändert doch nichts an dem beschämenden Schauspiel, (…) [das] es so anschaulich macht, wie das Schicksal eines ganzen Volkes von der zufälligen Entschließung des zufälligen Erben eines großen Vermögens abhängt, dies alleine genügen würde, um zu empfinden, dass der Kapitalismus an sich und überhaupt (sic!) unvereinbar ist mit der wahren Selbstbestimmung und mit der wahren Würde eines freien Volkes".
Zur Frage der Nationalisierung des Bankensektors sagte Bauer am 13.5.1931 – nach dem Zusammenbruch der Kreditanstalt – im Parlament Folgendes: "Wir haben gesehen, wie die privaten Wirtschaftsführer einer nach dem anderen die Kreditinstitute der österreichischen Volkswirtschaft zugrunde gerichtet, in Grund und Boden hinein regiert haben, immer so lange, bis sie hilfesuchend zu der sonst so verachteten und verschmähten öffentlichen Hand – wie sie es nennen –, mit andern Worten, bis sie hilfesuchend zum Staat, zu den Steuerträgern gekommen sind. Und man hat die Stirn, uns jetzt noch zu sagen: nein, nur das Privatkapital könne solche Institute verwalten."
Bauer behandelt die Frage der Kontrolle im Bankensektor nur negativ (d.h. er sagt nur, wer [nämlich das Privatkapital] nicht fähig ist, den Sektor im Dienste der Allgemeinheit zu führen), er vermeidet es aber, die Frage der Kontrolle durch die Werktätigen zu stellen. Dieses implizite Vertrauen in den Staat und Misstrauen gegenüber den Fähigkeiten der ArbeiterInnenklasse ist der klassische politische Fehler der ReformistInnen austromarxistischer Prägung.
Otto Bauer hatte auch einen Sinn für Proportionen, der der heutigen SPÖ-Führung verloren gegangen ist. Während letztere 15 Mrd. Euro für die Banken locker macht und die Stundenlöhne der LehrerInnen senken will, hat Bauer in der selben Parlamentsrede wenigstens auf die Ungerechtigkeit einer solchen Politik aufmerksam gemacht: "Seit einiger Zeit spricht man davon, auch von den kargen Bezügen der unteren Bundesangestellten, der Pensionisten Abstriche zu machen. Meine Herren! Es wird einem in solcher Zeit wahrhaftig nicht leicht, zuzugestehen, dass der Staat in diesem Augenblick 100 Millionen Schilling verwenden muss, um eine Bank wiederherzustellen, die das Kapital ruiniert hat."
Die Politik der SDAPÖ – verkörpert durch Otto Bauer – bietet Bezugspunkte für die heutige Linke in der SPÖ, weil die damalige Parteiführung die Unvereinbarkeit der gesellschaftlichen Entwicklung mit kapitalistischen Verhältnissen erklärte. Allerdings versagte sie völlig, wenn es darum ging, diese Analyse in ein praktisches politisches Programm zum Niederringen des Kapitalismus umzusetzen. Dies hat wesentlich damit zu tun, dass Bauer&Co ihren primären Wirkungskreis in parlamentarischen Debatten sahen, während sie Massenmobilisierungen von ArbeiterInnen und Jugendlichen eher skeptisch gegenüberstanden (insbesondere, wenn diese nicht unmittelbar vom Parteiapparat kontrolliert wurden). Durch die-se Methode gaben sie der österreichischen ArbeiterInnenbewegung ein schweres Erbe mit. Alle klassenbewussten Parteimitglieder und GewerkschafterInnen müssen daher in der SPÖ für eine antikapitalistische Politik kämpfen, wollen diese aber nicht nur im Parteiprogramm, sondern vor allem auch im konkreten Klassenkampf in Schule, Uni und Betrieb umsetzen.