Die Wirtschaftskrise und ihre politischen Folgen

Am Donnerstag, 22.3., hielt die SPÖ-Bezirksorganisation Schwechat ihre Parteikonferenz ab. Auf diesem wurde der untenstehende Antrag der Sozialistischen Jugend, welcher die Ablehnung von Schuldenbremsen und Sparpaketen fordert, mit überragender Mehrheit angenommen.

Antrag: Die Wirtschaftskrise und ihre politischen Folgen

Im medialen und oft auch im politischen Diskurs hat die Bewertung der aktuellen Wirtschaftskrise eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen: Wurde sie zunächst als geographisch begrenzte Krise des USImmobilienmarktes 2008 bezeichnet, so habe sie sich erst zur Krise des gesamten, weltweiten Finanzmarktes entwickelt, dann zur Krise der produzierenden Wirtschaft (als „Wirtschaftskrise“ im engeren Sinn) und schließlich, bedingt durch die umfassenden „Rettungspakete“ verschiedener Nationalstaaten und des supranationalen Konstrukts der Europäischen Union, zur Krise der öffentlichen Haushalte.

Den vorwiegend bürgerlichen DemagogInnen ist also nicht weniger gelungen, als die Wirtschaftskrise in eine „Staatsschuldenkrise“ umzudeuten, deren Ursachen ausschließlich in angeblich übertriebener einzelstaatlicher Investitionspolitik und damit hoher Staatsverschuldung verortet werden. Aufgrund der inhaltlichen Schwäche der europäischen Sozialdemokratie (und damit verbunden, durch die Unterordnung der Linken unter die neoliberalen Modelle der Vergesellschaftung von privaten Schulden und der Privatisierung von gesellschaftlich erwirtschafteten Gewinnen) wurde das Fortleben der neoliberalen Ideologie nach der Krise 2007 möglich gemacht und die sich seit Jahrzehnten aufdrängende Frage nach den Produktions- und Eigentumsverhältnissen, trotz dem vor allem in Österreich bemerkbaren Aufbrechen von Kompromissen zwischen Gewerkschaften und sich internationalisierender Industrie, nicht gestellt.

Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten muss uns klar sein: Die Ursachen der Wirtschaftskrise und die damit zusammenhängenden ökonomischen und politischen Folgen sind in der neoliberalen Ökonomie begründet. Die aktuelle Wirtschaftskrise ist also eine strukturelle Krise des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Überakkumulation von Kapital ohne Investitionsmöglichkeiten in die produzierende Wirtschaft aufgrund von Sättigungen der Absatzmärkte (verbunden mit den entsprechenden Überproduktionseffekten) erklärt die massive Flucht des Kapitals in die fiktive Welt der Finanzmärkte. Während die Lohnquoten seit den 70er-Jahren im Wesentlichen weltweit stagnieren oder sogar sinken, steigen die Gewinne rasant an und suchen neue Investitions- und Verwertungsmöglichkeiten. Die Bildung von „Blasen“ auf den Finanzmärkten ist das Ergebnis – dass solche Blasen irgendwann platzen, ist keine Überraschung.

Die zum Teil sprunghaft gestiegene Staatsverschuldung europaweit ist im Wesentlichen auf zwei Ursachen zurückzuführen: Zum einen wurden von den Staaten reihenweise strauchelnde Banken und Kreditinstitute durch exzessiven Einsatz von Steuergeldern aufgefangen. Zum anderen waren Staaten wie Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien schon seit einigen Jahren durch exportgetriebene Wirtschaftsstaaten wie Deutschland unter Druck, auf Kosten ihrer Handelsbilanz und des lokalen Wirtschaftswachstums Waren in großem Umfang zu importieren. Die Exportorientierung Deutschlands wiederum ist Folge der stagnierenden Lohnentwicklung – und damit auch sinkender Absatzmärkte und Kaufkraft im Inland. Exportgetriebene Aufschwünge einzelner Staaten gehen aber naturgemäß auf Kosten der Länder, die zu überbordenden Importen und damit auch zur Aufnahme hoher Staatsschulden gezwungen sind. Aus diesem Blickwinkel sind die so bezeichneten „hausgemachten“ Probleme etwa Griechenlands (hier wird oft auf einen großen Beamtenapparat, Schwierigkeiten bei der Steuereintreibung oder die Korruption Bezug genommen) nicht alleine die Hauptursachen der Schuldenlast, wie das die Prediger der bürgerlichen Ideologie europaweit behaupten. Von der neoliberalen Weltsicht ausgehend, wird der griechische Staat im Moment genötigt, bürgerliche Programmatik in Reinkultur umzusetzen: Beamte werden entlassen, Pensionen gestrichen, Löhne gekürzt, Arbeitsplätze vernichtet. Auch die Europäische Union spielt in diesem Spiel eine bedenkliche Rolle: Nicht nur entscheiden Rat und Kommission bereits bisher schon in wichtigen Fragen im Wesentlichen alleine und kaum beschränkt durch das EU-Parlament – sobald Feuer am Dach zu sein scheint, vereinbaren Merkel und Sarkozy im Alleingang die Projekte. Den anderen Staats- und Regierungschefs bleibt scheinbar nur noch das Abnicken bereits fixierter Vorgehensweisen. In Griechenland bedeuten diese Entscheidungen kaum etwas anderes als die Einführung einer neoliberalen Technokratie als neue Staatsform. Dabei müssen wir uns deutlich vor Augen halten: Diese Form des EU-Budgetdiktats hätte etwa die Wirtschaftspolitik eines Bruno Kreisky geradezu illegal gemacht. Das sonst auch innerhalb der Sozialdemokratie oft hoch gelobte Projekt der europäischen Einigung zeigt sich plötzlich in neuem Gewand: Sind demokratische Prozesse der kapitalkonformen Krisenbewältigung hinderlich, werden diese außer Kraft gesetzt. Dabei ist die Gefahr einer autoritären Wendung in vielen EU-Ländern (in Gestalt eben solcher Technokratien oder rechtsextremer Regierungen) durchaus real und muss entschieden bekämpft werden.

In Österreich hat die große Koalition mit der Ankündigung einer „Schuldenbremse“ versucht, „die Märkte zu beruhigen“. Erreicht wurde das Gegenteil: Die Bestnote der Rating-Agenturen war nicht nur nicht zu halten. Die rigiden Sparpläne, die Wachstum behindern und Beschäftigung verringern werden, waren mit ein Grund für ihren Verlust. Die Koalition hat daraus aber keineswegs die richtigen Schlüsse gezogen, sondern vollzieht damit einmal mehr neoliberale Gedankengänge mit: Nur durch eine Absenkung der Staatsausgaben seien angebliche „Handlungsspielräume“ wiederzuerlangen. Dieser Ideologie muss die Sozialdemokratie mehr entgegensetzen als ein „Ja, aber...“! Sie darf nicht auf bürgerliche Denkmuster hereinfallen und muss sich das Geld dort holen, wo es ist: Bei den Vermögenden.

Um die Löcher im Staatshaushalt zumindest notdürftig zu stopfen, wurde von der rot-schwarzen Regierung ein Sparpaket vorgelegt, das den gerade erörterten Punkt völlig verabsäumt. Gleichzeitig soll dort gespart werden, wo es ohnehin nicht viel zu holen gibt. Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger spricht im Zusammenhang mit der Streichung der Invaliditätspension für unter 50-Jährige durch das Sparpaket etwa vom „sozialen Winter, der in Österreich Einzug hält“, die überparteiliche Bundesjugendvertretung formuliert ihre Kritik ebenfalls in deutlichen Worten: „Die Regierung präsentiert das vorliegende Maßnahmenpaket als gerecht, nachhaltig und offensiv im Bereich der Investitionen. Diese Ansicht kann die Bundesjugendvertretung in keinem der drei genannten Aspekte teilen. Österreich spielt mit seiner Zukunft und verspielt die Chance, mit nachhaltigen Struktur- und Verwaltungsreformen die Weichen für die Zukunft zu stellen. (...) Insgesamt kann aus unserer Sicht keineswegs von sozialer Ausgewogenheit und mehr Gerechtigkeit die Rede sein, da Vermögen weitgehend unangetastet bleibt, zielführende Schritte im Bereich der Einkommenssteuer bloß zeitlich begrenzt sind und andere Maßnahmen, wie z.B. Kürzungen im Bereich der Bausparprämien oder Pensionen, niedrige und mittlere Einkommensschichten belasten.“

Die Konferenz der SPÖ-Bezirksorganisation Schwechat:

  • fordert die Einführung von großvolumigen Vermögenssubstanzsteuern auf dauerhafter Basis.
  • Wiedereinführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer zur Gegenfinanzierung einer Steuerentlastung des Faktor Arbeit.
  • lehnt die Tendenz der Entdemokratisierung auf EU-Ebene und das Ersetzen von zumindest mittelbar demokratisch legitimierten Regierungen durch nicht-legitimierte technokratische Funktionäre der Finanzindustrie - wie in Griechenland und Italien - entschieden ab.
  • fordert die Überführung der Steuermittel beanspruchenden Banken in öffentliches ökonomisches Eigentum und eine Neuausrichtung der Unternehmensstrategien sowie den Ausbau des öffentlichen Bankensektors.
  • fordert die Beschränkung der Macht der Rating-Agenturen durch gesetzliche Maßnahmen.
  • erklärt die entschiedene Ablehnung von „Schuldenbremsen“ und von Sparpaketen, die die Möglichkeiten alternativer, sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik massiv behindern und ausschließlich dem neoliberalen Sparwahn zur Umverteilung von unten nach oben dienen.

 

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