Ein Fall fürs Volxgericht 2

Vor lauter ZeugInnen konnte die Angeklagte beinahe übersehen werden, immerhin war die Verhandlung ob des großen Andrangs in den größten Saal der Stadt verlegt worden.

Während die Firma von Jahr zu Jahr fette Gewinne einfuhr, wurden unsere Arbeitsplätze immer unsicherer und nach und nach in andere Länder mit billigerem Lohnniveau ausgelagert", ließen bereits die ersten Aussagen kein gutes Haar an der gerade in die höchste Personalebene aufgestiegene Ex-Österreich-Chefin des Konzerns. Die "erfolgreiche" Führung der ehemaligen Grande Dame der Sozialdemokratie hinterließ bei den Angestellten, vor allem jenen, die in den umstrukturierten und ausgelagerten Sparten des Unternehmens arbeiteten, folgenden Eindruck: Monatelange Unsicherheit über die persönliche Zukunft, ständige Unterbesetzungen in den Abteilungen und nicht zuletzt immer wieder eindeutig zweideutige Aufforderungen, die angebotenen Golden Handshakes anzunehmen. "Beinahe als gefährliche Drohung ist es da zu werten, dass die Angeklagte nun für die Arbeitsplätze von Hunderttausenden Menschen in ganz Europa verantwortlich sein soll", warf der Volxanwalt ein, nachdem er die Angeklagte für Tausende Entlassungen verantwortlich gemacht hatte.

"Für mich natürlich nicht gerade eine angenehme Situation, verfüge ich doch über ein sehr ausgeprägtes soziales Gewissen", rechtfertigte sich die Managerin, die dabei aber von starken Unmutsäußerungen aus dem Publikum unterbrochen wurde. "Für mich war die Sicherung von Arbeitsplätzen immer die größte Herausforderung, weshalb ich auch von Anfang an eine große EU-Befürworterin war. Der Beitritt Österreichs hat den ArbeiterInnen immerhin größeren Wohlstand gebracht." Dies wurde vom Großteil des anwesenden Publikums durch Wedeln mit 1.000er-Scheinen in alter Währung konterkariert, wodurch die Angeklagte sichtlich verlegen wurde. "Natürlich konnten nicht alle Versprechen auch tatsächlich eingehalten werden."

Um es diesmal nicht bei leeren Versprechen zu belassen, wurde der neue Posten der Managerin vorübergehend unter Kuratel des Volxgerichts gestellt. Die "Restrukturierung" des Konzerns sollte nun von "unten nach oben" erfolgen: Sofortige Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, um die Wiedereinstellung der in den letzten Jahren gekündigten (bzw. in ManagerInnen-Neusprech "freigesetzten") Menschen zu ermöglichen.

Neben der Kürzung der ManagerInnengehälter auf das Niveau von FacharbeiterInnen sollte außerdem binnen sechs Monaten die jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit der Führungsebene im Konzern umgesetzt werden. Unter Jubel der Anwesenden wurden schließlich aus der Belegschaft des Unternehmens drei Delegierte gewählt, welche die Umsetzung dieser Punkte regelmäßig überprüfen.

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