Streiks statt Sirtaki

Seit Monaten protestieren die griechischen ArbeiterInnen gegen die Spar- und Belastungspolitik ihrer Regierung. Fünf Generalstreiks gab es seit Februar. Am bisherigen Höhepunkt der Bewegung, dem 15. Mai, waren es weit über eine Million Menschen, die ihrer Wut in militanten Demonstrationen Ausdruck verliehen. Dennoch stimmten die Abgeordneten der sozialdemokratischen Regierungspartei PASOK mit nur drei Ausnahmen für die Umsetzung eines Sparpaketes, das den größten Angriff auf die ArbeiterInnenklasse Griechenlands seit Ende der Militärdiktatur bedeutet.

Diese Protestwelle stellt eine extreme Zuspitzung des Klassenkampfes dar, der sich aber schon seit Jahren in Streiks, Studierendenprotesten und in der Jugendrevolte 2008/2009 manifestiert. Nachdem die Polizei im Dezember 2008 den 15jährigen Schüler Alexandros Grigoropoulos erschossen hatte, erschütterten Jugendproteste wochenlang das Land. Durch Streiks und Demos vor Polizeistationen und Banken entlud sich die aufgetürmte Unzufriedenheit der "Generation 700 Euro". Diese Radikalisierung zeigte sich auch an den Urnen, als im Herbst 2009 die linken Parteien in den Parlamentswahlen massiv gestärkt wurden. Seither hat die PASOK nach zwei Amtsperioden konservativer Kabinette erstmals wieder Regierungsverantwortung inne.

Krise des Reformismus

Die PASOK wusste nach den Wahlen die Mehrheit der griechischen ArbeiterInnenklasse hinter sich und wollte die Sirtaki-Version des Blairschen Songs "Cool Britannia Rocks" anstimmen: Alternativenergieexporte aus ionischen Winden, Ausbau des Sozialstaats und software start-ups. Die von den Märkten diktierte Realität ließ diese reformistischen Illusionen aber schnell zerplatzen. Regierungschef Andreas Papandreu, über unzählige Fäden mit dem einheimischen und internationalen Kapital verbunden, entschied sich dazu, die Krise des griechischen Kapitalismus zur Gänze der ArbeiterInnenklasse aufzubürden. Es sei hier erwähnt, dass keine andere politische Kraft, schon gar nicht die Konservativen, diesen Schlag ausführen hätte können, ohne mit dem sofortigen politischen Aus bestraft zu werden. Die PASOK ist aber nicht nur mit dem Kapital verbunden. Im kollektiven Gedächtnis großer Teile der Klasse ist die das Resultat des Widerstandskampfes gegen die Militärdiktatur. Außerdem stellt sie die Mehrheitsfraktion in den Gewerkschaftsdachverbänden GSSE und ADEDY.

Die Führung dieser Gewerkschaften gab dem Druck der eigenen Basis nach und unterstütze den Aufruf für den Generalstreik am 15. Mai, ohne jedoch einen konkreten Kampfslogan auszugeben. Wir dürfen annehmen, dass es die Idee war, hier ein Ventil zu öffnen, um die explosive Situation in den Betrieben wieder unter Kontrolle zu bekommen. Entscheidend für den Ausgang dieses Tages war jedoch das Schicksal von drei Bankangestellten, die an ihrem Arbeitsplatz eingesperrt waren und im Feuer starben, als diese Filiale von Unbekannten angezündet wurde. Wer auch immer die Bank in Brand setzte, das Feuer rettete der Bourgeoisie den Tag: Nachdem dieser Vorfall bekannt wurde, leerten sich die Straßen. Am nächsten Tag konnte das Parlament ans Werk gehen.

Linke Alternative?!

Im Griechenland existiert neben der PASOK auch eine starke kommunistische Tradition in Form zweier Parteien, der stalinistischen KKE und der Linkspartei Synaspismos. Insbesondere die KKE verfügt über eine starke Verankerung in der ArbeiterInnenklasse und kontrolliert mit der PAME auch eine starke Fraktion in den Gewerkschaftsdachverbänden. Beide Parteien stellen auch Abgeordnete im Parlament, lehnen das Sparpaket ab und stehen für außerparlamentarischen Widerstand. In ihren Alternativen bleiben sie jedoch sehr abstrakt. Die KKE agiert leider extrem sektiererisch: die PAME setzt konsequent auf die eigene Stärke, ruft zu eigenen Demos, Kundgebungen und Generalstreiks auf, versucht aber keine Einheitsfront mit den anderen Teilen der organisierten ArbeiterInnenbewegung aufzubauen.

Sogar am 15. Mai hielt sich die PAME abseits, organisierte eigene Kundgebungen und Demos. Damit spaltet sie die radikalsten ArbeiterInnen von ihren sozialdemokratischen KollegInnen. Dabei ist der Unmut in der Gewerkschaftsbewegung groß. So wurden die sozialdemokratischen RednerInnen von ihrer eigenen Basis ausgepfiffen. Eine marxistisch geführte PAME würde konsequent die Einheit mit den sozialdemokratischen ArbeiterInnen und ihrer Führung suchen, in der Praxis konkrete Angebot zu einer Aktionseinheit machen und so den politischen Differenzierungsprozess in der PASOK vorantreiben.

Der Linksradikalismus der KKE in der Praxis findet in der Sterilität ihrer politischen Plattform einen Ausdruck. Die KKE orientiert auf eine "Verschiebung des Kräfteverhältnisses in der Gesellschaft" bis hin zu dem Punkt, wo "die Errichtung einer Volksmacht" mit der Verstaatlichung der Wirtschaft möglich wird. Das wird jedoch völlig losgelöst von der tatsächlichen Entwicklung des Klassenkampfes als Fernziel formuliert. Die Synaspismos stellt sich gegen diese ultimatistische Politik und argumentiert für eine Aktionseinheit der kommunistischen Parteien. Gleichzeitig schafft aber auch sie es nicht, eine konkrete politische Alternative zum Sparpaket zu formulieren.

Generalstreik – und dann?

Nach einer Reihe von Generalstreiks stellt sich die Frage nach den Perspektiven der Bewegung. Es reicht offensichtlich nicht immer nur auf diese Form der Generalstreiks zu setzen, ohne Eskalationsstrategie und eine politische Alternative kann diese Aktionsform leicht in ihr Gegenteil umschlagen. Anstatt die Regierung durch die geballte Kraft der ArbeiterInnenklasse zu stoppen, droht die Klasse in solchen Aktionen zu ermüden. Rosa Luxemburg wandte sich in ihrer Schrift "Massenstreik, Partei und Gewerkschaft" gegen die Ideen politische und ökonomische Kämpfe auseinander zu halten: "In einer revolutionären Massenaktion sind politischer und ökonomischer Kampf eins". Wer dieses Sparpaket stoppen will, der muss auch die Frage der politischen Macht stellen. Die MarxistInnen unserer griechischen Schwesterzeitung "Markistiki Foni" betonen folgende drei Punkte:

  • Einheit im Kampf! Für die größtmögliche Einheitsfront aller politischen und gewerkschaftlichen Kräfte, die gegen die arbeiterfeindliche Politik stehen. Die Aktionseinheit von KKE und Synaspismos muss bereits am Beginn dieses gemeinsamen Kampfes stehen.
  • Für eine weiterführende Kampfstrategie, mit dem Ziel einen mehrtägigen Massenstreik durchführen zu können. Die gemeinsame Diskussion von Aktionsplänen in den Betrieben, um der Passivität der Gewerkschaftsführungen entgegenzutreten.
  • Für eine sichtbare Machtalternative in der Gesellschaft! Die Schwäche der Führungen der Klasse muss durch parteiübergreifende Aktionskomitees in den Betrieben und Stadtteilen überwunden werden. KKE und Synaspismos die Initiative zur Gründung solcher Strukturen ergreifen. Diese Einheit soll bei den Gemeinderatswahlen in gemeinsamen linken Wahllisten ihren Ausdruck finden. In diesem solidarischen gemeinsamen Kampf soll die Frage des Sturzes der aktuellen Regierung, die sich völlig der Bourgeoisie unterworfen hat, und die Bildung einer ArbeiterInnenregierung gestellt werden.

 

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