Wahlen in Griechenland: Erfreuliches und Unerfreuliches

Bei der Wiederholung der griechischen Parlamentswahlen im Juni 2012 haben jene gesiegt, die sich zu Europa und zum Euro bekennen, titeln jetzt gerade die bürgerlichen Massenmedien und bejubeln damit den knappen Wahlsieg der konservativen Nea Dimokratia. Tatsächlich ist das aber nicht so einfach.

Gründe

In den Wochen seit der letzten Parlamentswahl hat die europäische Bourgeoisie alles in die Waagschale geworfen, um ein ihr genehmes Wahlergebnis zu ermöglichen. Von offenen Wahlaufrufen diverser Massenmedien zahlreicher Länder der EU über versteckte und gar nicht so versteckte Drohungen der bedeutendsten PolitikerInnen der EU (allen voran Merkel – der Engel des europäischen Kapitals) haben sie alles unternommen, um den GriechInnen klar zu machen, dass sie diese in der Armut verrotten lassen würden, wenn sie falsch wählen. Und falsch aus der Perspektive des Kapitals wäre jedes Wahlergebnis gewesen, dass den brutalen Sparkurs auch nur ansatzweise in Frage gestellt hätte.

Das Wahlergebnis ist also eine Folge der Angst der griechischen Massen vor noch weiterer Verarmung. Bei über 20% Arbeitslosigkeit und seit Beginn der Krise um 50% gesunkenen Realeinkommen darf das auch nicht verwundern.

Wahlsieger und Verlierer

Gleichzeitig hat es keine wirkliche Alternative gegeben. Auch die SYRIZA hat ja immer gesagt, dass sie will, dass Griechenland in der EU und im Euro bleibt. Sie wollte eben nur die Bedingungen des Rettungspaketes für das Land neu verhandeln und dadurch entschärfen. Doch selbst das hat schon gereicht, sie zum eigentlichen Wahlsieger zu machen. Immerhin hat sie bei den Wahlen im Mai und Juni zusammen runde 22% dazugewonnen und ist innerhalb kürzester Zeit von einer linken Kleinpartei mit 27% zur führenden Kraft der griechischen Linken aufgestiegen. Kein Wunder – entsprechen ihre politischen Forderungen doch in großen Teilen den Bedürfnissen der Menschen. Eine Abkehr vom Sparkurs ist es, was die Massen wollen – und das nicht nur in Griechenland.

Das zeigt mehr als deutlich, dass die Zeit politisch stabiler Verhältnisse vorbei ist. Griechenland ist dabei wohl nur das Spiegelbild der europäischen Zukunft. Es könnte damit ein zweites Mal – in langen historischen Zyklen betrachtet – zum Mutterland der Demokratie werden.

Im Gegensatz zur politischen Rechten, welche den arbeitenden Massen in letzter Konsequenz egal ist, hat es bei den beiden Wahlen in den letzten paar Wochen innerhalb der Linken massive Verschiebungen gegeben. Die Sozialdemokratie (PASOK) ist von 44% auf 12% abgestürzt – ein deutliches Warnsignal an die Sozialdemokratien aller anderen Länder, dass sie mit ihrer Zustimmung zu Sparpakten für breite Schichten der arbeitenden Massen nicht mehr wählbar sind. Die erzstalinistische KKE hat erneut fast 4% verloren und ihr schwächstes Wahlergebnis seit Jahrzehnten eingefahren. Mit ihren gerade noch 4,5% ist sie wohl Geschichte, während die Demokratische Linke ihr Wahlergebnis von der letzten Wahl mit über 6% sogar noch leicht verbessern konnte.

Insgesamt konnte die Linke bei den gestrigen Wahlen über 50% der Stimmen auf sich vereinen, während die beiden konservativen Parteien zusammen nur auf rund 37% gekommen sind. Und im Gegensatz zu den Horrorszenarien, welche die bürgerlichen Massenmedien nach der Wahl vor einigen Wochen gezeichnet hatten, hat auch die radikale Rechte verloren. Gemeinsam haben ihre beiden Parteien 1,5% verloren und liegen gerade noch bei 8,5%. Das wäre doch eine Zahl mit der wir uns auch in Österreich viel wohler fühlen würden. Trodzem sind wie so oft leider die arbeitenden Menschen die VerliererInnen dieser Wahl.

Perspektiven

Momentan sieht es nämlich so aus, wie wenn sich die EU mit ihren Drohungen durchgesetzt hat. Die Konservativen werden den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen. Da sie nunmehr aufgrund des undemokratischen Wahlsystems (die stimmenstärkste Partei bekommt einen „Bonus“ von 50 Mandaten) gemeinsam mit der zutiefst im reformistischen Sumpf versunkenen PASOK ein Mehrheit im Parlament haben, ist eine Koalitionsregierung aus diesen beiden Parteien wahrscheinlich. Damit wäre die Fortsetzung des Sparkurses zugunsten der Profite des europäischen Kapitals gesichert.

Seit Langem blutet dieses Griechenland aus. Nachdem in den 1960ern die Industrie des Landes großteils von deutschem und französischem Kapital aufgekauft wurde, führte dies über den Umweg der Verlagerung der Firmensitze über die Jahrzehnte zu einer Deindustrialisierung des Landes. Und so sehr ich Meer und Olivenbäume liebe – für eine funktionierende Volkswirtschaft reicht das einfach nicht. Die weitere Privatisierung der Überreste der industriellen Struktur des Landes kann also nur zu einer forrtgesetzten Verschärfung der sozialen Krise führen.

Zumindest in Worten dürfte die PASOK beginnen, die Lektion zu lernen. Sie will SYRIZA in eine Regierung einbinden. Nur all zu bewusst ist der Parteiführung, dass eine Fortsetzung des rigiden Sparprogramms mehr oder weniger ihr Ende bedeuten würde. Daher soll einerseits die Nea Dimokratia durch einen linken Koalitionspartner gezwungen werden, dieses zu entschärfen, und andererseits SYRIZA in die Durchsetzung der Sparpolitik eingebunden werden, um dieser den Mythos des linken Robin Hood zu nehmen.

Schön dumm wäre die SYRIZA, wenn sie dieser Aufforderung nachkäme. Tatsächlich ist mit dieser Wahl nämlich keines der Probleme Griechenlands gelöst – gelöst sind einzig die Probleme der Märkte, und auch das nur vorläufig.

Insgesamt geht die Linke aus dieser Wahl stärker hervor. Und die Klassengegensätze haben sie auch an der Wahlurne weiter zugespitzt. Die Mehrheit der GriechInnen hat links gewählt – trotzdem werden sie eine rechte Regierung bekommen. Was das für die Zukunft bringen wird, ist derzeit nicht vollständig absehbar. Wahrscheinlich ist aber, dass SYRIZA, als Partei, die zumindest ansatzweise mit dem Reformismus und dem Kapitalismus zu brechen bereit ist, bei den nächsten Wahlen weiter zulegen können wird, wenn der Kurs der EU im Land hemmungslos fortgesetzt wird. Das wird dazu führen, dass der klassische sozialdemokratische und stalinistische Reformismus in Griechenland mehr oder weniger von der politischen Landkarte verschwinden.

Das Wahlergebnis ist aber ein noch viel deutlicheres Zeichen für die nähere politische Zukunft des Landes. Rund 40% der Bevölkerung haben Parteien gewählt, die links von der Sozialdemokratie stehen – ein Ergebnis, das es in Europa seit Jahrzehnten in keinem Land mehr gegeben hat – zumindest nicht bei auch nur halbwegs freien Wahlen. Diese 40% haben damit gezeigt, dass es ihnen reicht. Und sie – so wie viele andere auch – werden die weitere Fortsetzung des Sparkurses nicht widerstandslos akzeptieren.

Eine Verschärfung des Klassenkampfes in Griechenland – von Demonstrationen über Streiks bis hin zu Betriebsbesetzungen – ist also absehbar. Die politische Situation im Land wird damit in den nächsten Jahren alles andere als stabil sein. Die Massen werden beginnen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Und das ist tatsächlich der einzige Ausweg aus dem Tränental, das der Kapitalismus in Zukunft für sie bereit hält.

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