Beelzebub und Teufel: Gedanken zu den Nationalratswahlen 2013

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Kapitalist sagt Arbeiter, warum die FPÖ gut für ihn ist

Die Nationalratswahlen 2013 sind geschlagen. Die Ergebnisse sind bekannt. Viele sind am Tag danach mit Kopfschmerzen aufgewacht – und das ist kaum an den ausufernden Feierlichkeiten gelegen. Die politische Zukunft des Landes ist heute nämlich fraglicher als vor der Wahl.

Das Wahlergebnis

Eigentlich ist das Ergebnis der Wahlen nicht besonders erstaunlich. Dieses weicht mit Ausnahme der NEOs nur wenig von den Umfragen ab. Der angebliche Wahlsieger HC Strache hat weit weniger erreicht als er angestrebt hat. Sein Traum vom Einzug in den Ballhausplatz als Kanzler wird möglicherweise auf ewig ein solcher bleiben. Wenn es der FPÖ selbst in Zeiten eines massiven Sozialabbaus zur Bewältigung der Kosten der Krise und insbes. der Bankenrettungspakete nicht gelingt, SPÖ und ÖVP ernsthaft zu gefährden, dann sieht es in ruhigeren Zeiten für sie wohl noch schwieriger aus, ihre Ziele zu erreichen.

Gleichzeitig dürfen wir die Gefahr dieser rassistischen Partei aber keinesfalls unterschätzen. Noch nie wurden so viele Neonazivorfälle bei Wahlkampfaktionen der FPÖ dokumentiert wie in diesem Wahlkampf. Ein weiterer Rechtsschwenk der FPÖ ist durchaus möglich! Und eine Regierungsbeteiligung ist allemal möglich. Was eine solche bedeutet, haben die Jahre 2000-2007 unter den SchwarzBlauOrangen Regierungen eindrucksvoll bewiesen. Auch heute stimmt der Spruch der seinerzeitigen Protestbewegung „Was bedeuten Schwarz und Blau: Rassismus und Sozialabbau!“ noch so wie damals!

Der Schock der relativen Mehrheit von HC&Co in der Steiermark darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Ergebnis zum Gutteil hausgemacht ist. Die sog. Reformpartnerschaft von SPÖVP in der grünen Mark bedeutet letztlich nichts anderes als massiven Sozialabbau – dieser wurden von den WählerInnen abgestraft und führte zu zahllosen Proteststimmen, leider eben für die falsche Partei.

Die Überraschung des Wahlabends waren sicherlich die NEOs. Auch wenn manche Aussagen ihres Finanziers Haselsteiner (z.B. seine Forderung nach einem Spitzensteuersatz von bis zu 95% für hohe Einkommen) durchaus sympathisch sind, so dürfen wir doch keinesfalls übersehen, dass es sich bei dieser neuen Gruppierung keinesfalls um eine handelt, die eine ernsthafte Alternative zum derzeitigen System darstellt. Sie ist wirtschaftsliberal und damit offen bürgerlich. Die sozial benachteiligten dieser Gesellschaft hätten sich von ihnen in der Regierung nur Sozialabbau unter dem Deckmäntelchen der „Eigenverantwortung“ zu erwarten.

Und die Grünen sind einmal mehr an den selbst hoch gesteckten Erwartungen gescheitert. Zu offen ist in den letzten Jahren die Orientierung auf (klein)bürgerliche Schichten geworden. Das zeigt sich gerade in Wien sehr deutlich, wo sie außerhalb der Bezirke, die traditionell konservativ – also ÖVP-dominiert – waren, kaum vorankommen. Gleiches gilt für Innsbruck. Und in Salzburg haben sie die Mehrheit wieder verloren.

Die zweite große WählerInnengruppe der Grünen, StudentInnen, ist offenbar keine fixe Konstante. Sobald das Studium abgeschlossen ist, durchschauen viele ehemalige WählerInnen der Partei, dass diese ihnen nichts zu bieten hat, sobald sie in den Arbeitsprozess eingetreten sind. Für die von den Grünen heiß umworbene WählerInnengruppe der (neuen) Selbständigen gibt es mittlerweile mit den NEOs offenbar eine bessere Alternative.

Überhaupt ist bei der Wahl sehr deutlich geworden, dass NEOs, Grüne und ÖVP in den gleichen Teichen fischen. Von der Tendenz her lassen sich in zahlreichen (ehemaligen) Hochburgen der ÖVP die Verluste mit Zuwächsen für die NEOs erklären – eine Rolle die bisher die immer offener bürgerlichen Grünen erfüllt haben, die in den letzten Jahren ihre aus den sozialen Protestbewegungen stammende progressive Tradition mehr und mehr auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt haben. Sie werden damit für fortschrittlich denkende Menschen zunehmend unwählbar, was auch erklärt, warum sie offenbar beim WählerInnenzuspruch ihren Plafond erreicht haben.

Und dann haben wir da noch Frank. Für ihn ist die Wahl offenbar zu früh gekommen – oder genau genommen für uns. Was die Meinungsumfragen der letzten Wochen deutlich gezeigt haben, ist am Wahlabend eingetreten. Je näher die Wahl gekommen ist, desto mehr ist der Zuspruch zu seiner USA-verbrämten Politik gesunken. Zu dürftig war das Wahlprogramm, zu wirr das mantraartige Wiederholen der ewig gleichen Sprüche, zu offen kapitalistisch die Ausrichtung des rückwärts gerichteten Gedankengutes.

Gute Löhne durch die willkürliche „Beteiligung von MitarbeiterInnen am Gewinn“ durch des/r ChefIn Gnaden zu ersetzen und BetriebsrätInnen durch von den Bossen ernannte AnsprechpartnerInnen – damit haben schon zu viele KollegInnen schlechte Erfahrungen gemacht. Und das „Ich bin ein Arbeiter mit Dreck unter den Fingernägeln“, nur noch getoppt davon, dass der Herr Milliardär als „Werkzeugmacher“ auf den Wahlzetteln stand, hat ihm kaum wer abgenommen. Wären die Wahlen zwei oder drei Wochen später gewesen, wäre seine Kandidatur wohl gescheitert. So wird es wohl (hoffentlich!) bei einer Eintagsfliege bleiben.

Die traditionelle Partei der österreichischen ArbeiterInnenbewegung hat offenbar unter einem massiven Mobilisierungsproblem gelitten. Im Gegensatz zu dem, was uns die MeinungsforscherInnen seit Jahren einzureden versuchen, hat sie nämlich bei diesen Wahlen deutlich weniger WählerInnen an die FPÖ verloren als an die NichtwählerInnen. Etwa 170.000 WählerInnen der SPÖ bei der letzten Wahl haben diesmal gar nicht gewählt. Prototypisch dafür ist sicherlich die Steiermark, wo der von der SPÖ mitverantwortete Sozialabbau dazu geführt hat, dass die Beschäftigten dieses Bereiches, die traditionell SPÖ wählten, diese nicht mehr wählen konnten. Eine andere Partei aber wollten sie nicht wählen. Und das gilt mit Sicherheit nicht nur für die Steiermark.

Dass die SPÖ trotz des in den letzten Jahren an den Bedürfnissen des Kapitals ausgerichteten politischen Kurses der Regierung Platz 1 verteidigen konnte, zeigt einmal mehr, wie tief ihre Verbindungen zur österreichischen ArbeiterInnenklasse sind. Und die wenigen progressiven Maßnahmen wie z.B. die Bankensteuern haben das ihrige dazu beigetragen, dass die Partei von vielen als einzige progressive Kraft im Lande wahrgenommen wird.

Die ArbeiterInnenbewegung

Für die arbeitenden Menschen in diesem Land bedeutet das Wahlergebnis sicherlich nichts Gutes. Egal unter welcher Regierungskoalition ist mit weiteren Sozialabbaumaßnahmen zu rechnen. Zu stark ist die konservative Mehrheit im Parlament.

Gleichzeitig kann eindeutig festgestellt werden, dass sich die Programmatik der SPÖ heute wieder viel mehr an den Bedürfnissen der arbeitenden Menschen, der Jugend und der PensionistInnen ausrichtet, wie noch vor wenigen Jahren. Die Forderung nach einer Millionärssteuer etwa – auch wenn diese nicht hart genug gestellt wurde – wäre unter Vranitzky, Klima und Co unvorstellbar gewesen. Überhaupt fanden sich im Wahlprogramm der SPÖ zahlreiche Forderungen der FSG wieder – eine Tatsache, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann!

Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass es sich dabei nur um einen ersten Schritt handeln kann. Es fehlt noch vieles im Programm der SPÖ, was notwendig wäre, um die sich kontinuierlich verschlechternden Arbeits- und Lebensbedingungen der breiten Masse wirklich verbessern zu können. Insbesondere fehlt hier die offene Infragestellung des kapitalistischen Systems. Das darf auch nicht weiter verwundern, ist doch das politische Handeln und Denken der Parteispitze nach wie vor viel zu sehr an dem, was in diesem System möglich ist, ausgerichtet. Die Menschen wählen aber nicht, was möglich ist, sondern sie wählen, was notwendig ist, um ihr Leben zu verbessern. Daher ist es notwendig, endlich wieder zu sagen, was wirklich erforderlich ist, um die Lebensbedingungen der breiten Masse zu verbessern – unabhängig davon, ob das in unmittelbarer Zukunft verwirklichbar ist. Damit können die Köpfe und Herzen der Menschen begeistert werden.

Ein Schritt in die richte Richtung war sicherlich auch der Beginn des Wahlkampfes mit Plakatsujets wie „Partei der Arbeit“ und „Wir kämpfen für ...“. Leider wurden diese offenbar nicht in allen Bundesländern affichiert, obwohl eindeutig zu bemerken war, dass zahlreiche KollegInnen sehr positiv darauf reagiert haben. Auch hat in der Phase dieser Slogans die Kurve in den Meinungsumfragen klar nach oben gezeigt. Leider aber wurde dieser Kurswechsel nicht bis zum Schluss durchgehalten. Die gegen Ende des Wahlkampfes verwendeten Sujets („Mit sicherer Hand für ...“ und „Gemeinsam für Österreich“) haben die nach Veränderung schreienden arbeitenden Menschen nicht begeistern können. Zu sehr haben sie nach „Stabilität“ und „more of the same“ gerochen, wo doch der Wunsch nach Neuem übergroß war. Und dass es auch in Österreich in Anbetracht der unvereinbaren Interessengegensätze von Wirtschaft und Beschäftigten keine Gemeinsamkeit geben kann, ist den arbeitenden Menschen nur zu gut bekannt.

Doch das war sicher nicht der einzige Grund für die Verluste der SPÖ. Zu lange schon lässt sich die Regierungsriege von der ÖVP eine bürgerliche Politik aufzwingen, was in der steirischen 'Reformpartnerschaft' seinen deutlichsten Ausdruck findet. Zu wenig haben wir in diesem Wahlkampf dem offenen Rassismus der FPÖ Paroli geboten. Zu sehr haben wir uns bei den Landtagswahlen in Salzburg in die Defensive treiben lassen und dabei vergessen, laut und eindeutig darauf hinzuweisen, dass die ÖVP mit den skandalösen Spekulationsgeschäften im Land begonnen hat. Und nicht zuletzt war es ein schwerer taktischer Fehler, im Jahr der Nationalratswahl die Volksbefragung über das Bundesheer abzuhalten, die nur verloren gehen konnte, da die Mehrheit der WählerInnen sehr wohl weiß, dass ein Berufsheer nur der Stärkung der Interessen des Kapitals dienen kann.

Nun gilt es, die Lehren aus den Verlusten zu ziehen! Es hat erste Schritte in die richtige Richtung geben. Doch diese sind einerseits nicht weit genug gegangen, und andererseits war die Zeit zu kurz, um die Masse der WählerInnen davon zu überzeugen, dass die SPÖ wirklich wieder auf ihrer Seite stehen will. Nun muss das Thema Verteilungsgerechtigkeit konsequent und kontinuierlich in den Vordergrund gestellt werden – auch außerhalb des Wahlkampfes, so dass die arbeitenden Menschen wieder erkennen können, dass die SPÖ wirklich wieder IHRE Partei werden will – die Partei der Arbeit(enden)!

Die Wahl zwischen zwei Übeln

Das wahre Drama dieses Wahlabends aber sind die möglichen Koalitionen. Realistischerweise gibt es nur zwei Optionen. SchwazBlauStronach wäre nichts anderes als die wieder aufgewärmte Schüssel-Regierung der Jahre ab 2000. Der soziale Kahlschlag würde wahrscheinlich noch dramatischer ausfallen. Die Kosten für die breite Masse wären enorm und in vielen Jahren nicht wieder gutzumachen. Eine solche Koalition gilt es daher in jedem Fall mit allen erforderlichen Mitteln der Mobilisierung zu verhindern!

Diese Option wird die ÖVP auch in möglichen Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ als Druckmittel einsetzen, um möglichst viel von ihrer reaktionären Agenda in das Regierungsprogramm einbringen zu können. Dem darf die SPÖ auf keinen Fall nachgeben! Eine Regierung aus den oben genannten Kräften wäre in jedem Fall mehr als instabil – zu selbstverliebt sind die Führer der drei genannten Parteien. Eine solche Koalition würde also nicht lange durchhalten und dadurch entzaubert werden. Sie wäre wohl das politische Ende von Stronach und würde das Strahlemann-Lächel-ich mache alles für euch gut-Nächstenliebe-Image von Strache als die Lüge entlarven, die es ist. Die FPÖ kann dabei nur verlieren.

Doch auch die Variante einer SPÖVP-Koalition verheißt nichts Gutes für die arbeitenden Menschen in diesem Land. Auch bei einer solchen Regierung würde Sozialabbau auf der Tagesordnung stehen. Tatsächlich stehen wir also vor der Wahl zwischen Beelzebub und Teufel. Das ist die direkte Folge des Wahlergebnisses, das wir WählerInnen uns selbst zuzuschreiben haben.

In dieser Situation muss sich die organisierte ArbeiterInnenbewegung, insbes. in Form der Gewerkschaften, darauf einstellen, dass jede mögliche Regierungsvariante die Errungenschaften der Vergangenheit angreifen wird. Diese gilt es zu verteidigen – egal wer in der Regierung sitzt. Die ArbeiterInnenbewegung muss wieder zu einem eigenständigen Faktor in der Politik dieses Landes werden und darf sich nicht darauf verlassen, dass es einige GenossInnen in der Regierung schon richten werden. Solange bürgerliche Parteien in der Regierung sitzen, ist das nämlich gar nicht möglich.